Die Bornematzin hilft

Vor Jahren ging eine alte Frau aus Seeligstadt in die Massenei, um dürres Holz zu sammeln. Ihr Herz war voller Sorgen. Der Winter stand vor der Tür, und daheim lag seit vielen Wochen der Mann schwer krank danieder. Es gab keine Einnahmen, und zwei Kinder brauchten so dringend warme Kleider. Woher aber das Geld nehmen? So in tiefes Sinnen versunken, schlich die arme Frau durch den herbstlichen Wald und hob hie und da die dürren vom Sturme abgebrochenen Äste auf. Bis in die Nähe der alten Wolfsgrube war sie gekommen. Da stand plötzlich vor ihr eine weißgekleidete Frau. Lang hing ihr das Haar über die Schultern herab.

Die weiße Frau kam langsamen Schrittes auf die Holzsammlerin zu und sprach freundlich zu ihr: „Was drückt euch so schwer? In eurem Gesichte stehen Sorgen geschrieben.“ Da ging der Frau das Herz auf, und sie erzählte alles, was sie bedrückte. Darauf sagte die Fremde: „Seid getrost! Euer kranker Mann wird bald genesen. Nimm die Kräuter und koch ihm heute Abend einen Tee. Den Tannenzweig aber hebe zur Erinnerung an diese Stunde auf.“ Mit diesen Worten überreichte die weiße Frau der Holzsammlerin einige Kräuter und einen grünen Tannenzweig und verschwand darauf spurlos im Walde. Die Holzsammlerin glaubte, geträumt zu haben. Aber sie hielt ja die erhaltenen Gaben noch in der Hand. Es war also Wirklichkeit. Als die arme Frau ihren Tragkorb mit dürrem Holz gefüllt hatte, trat sie den Heimweg an. Zu Hause erzählte sie sogleich ihrem Manne, was sie im Walde erlebt hatte. Sie zeigte ihm die erhaltenen Kräuter und den Tannenzweig. Aber was sahen sie da? Die Nadeln des betreffenden Zweiges hatten sich inzwischen in pures Gold verwandelt. Da war ihr Staunen groß!

Nun kochte die Frau ihrem kranken Manne von den mitgebrachten Kräutern einen Tee, von dem ein lieblicher Duft ausströmte, der das ganze Haus erfüllte.

Am nächsten Tage war er wieder gesund und konnte alsbald seiner Arbeit nachgehen. Die Not hatte ein Ende. Dankbar gedachten die armen Leute ihrer Wohltäterin, der weißen Frau in der Massenei.

Es war im Jahre 1898. Draußen in der Massenei rodete der Bahnarbeiter Paul aus Arnsdorf Baumstöcke. Er lud sie dann auf einen Karren, um sie ins Dorf zu bringen. Aber er hatte seine Kräfte überschätzt. Kaum vermochte er den Karrenvon der Stelle zu bringen, so sehr er sich bemühte. Die Fuhre war zu schwer. Da rief er in seiner Not, aber auch halb im Scherz: „Bornematzen, komm und hilf mir!“ Kaum hatte er das gesagt, da ist es ihm, als bringt er ihn ohne besondere Anstrengung vorwärts. Selbst über den Tannenberg rollte der Karren wie auf einer Ebene.